(25. August 2022) München. Wie kann sich der Ackerbau an die neuen Herausforderungen durch den Klimawandel anpassen? Egal ob Trockenheit oder Starkregen: Der Wasserrückhalt in der Fläche ist besonders wichtig. Im Juni 2022 führten die Ämter für Ländliche Entwicklung Oberbayern und Schwaben eine Exkursion zu boden:ständig-Maßnahmen in Ober- und Niederbayern durch. Mit dabei waren Landwirt:innen, Bürgermeister:innen und Interessierte aus dem boden:ständig-Projekt Ehekirchen in Oberbayern und den beiden Projekten Aindling und Petersdorf in Schwaben.
Professionell organisiert wurde die Exkursion von den Projektkoordinatoren für boden:ständig, Bernhard Bacherle vom ALE Schwaben und Katharina Bräustetter vom ALE Oberbayern. Unter fachlicher Begleitung von Max Stadler vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ingolstadt-Pfaffenhofen stellten am Vormittag zwei Landwirte ihre innovativen Ansätze zum Erosionsschutz durch Zwischenbegrünung und Schlagunterteilung in Reihenkulturen vor. Durch den Nachmittag führten Praktiker aus niederbayerischen boden:ständig - Projekten unter der Leitung von Felix Schmitt vom Büro H&S. Dabei ging es um bauliche Maßnahmen zum Wasserückhalt und zur Abflusslenkung in den Projekten Mühlhausen und Schickamühle im Landkreis Kehlheim. Vormittags stand der praktische Erosionsschutz in der Fläche auf dem Programm.
Max Stadler präsentierte in Burgheim Beispiele zum erfolgreichen Kartoffelanbau - durch technische Eigenbaulösungen.
Landwirt Franz Hofgärtner zeigte seine Technik für die Zwischendammbegrünung, die beim Häufeln der Kartoffeln erfolgt. Er stattete seinen Schneckenkornstreuer mit vier Schläuchen aus und brachte so den Weizen in die Furchen zwischen den Dämmen. Diese unkonventionelle Lösung ist zunehmend erfolgreich, wie Stadler schilderte: „Das entscheidende ist, dass die Wurzel den Boden zusammenhält und vor Erosionen schützt. Das Getreide ist keine Konkurrenz zur Kartoffel.“ Bis die Halme anwachsen, werden sie vom Kartoffelkraut schon überwachsen. Der Experte hat auch an anderen Orten Versuche mit Getreidearten durchgeführt, bei denen sich im Vergleich zu anderen Getreidesorten besonders Wintergerste zwischen den Kartoffelreihen bestens bewährt hat. Hofgärtner setzt sich vorbildlich für den Erosionsschutz ein. Eine finanzielle Unterstützung für den Mehraufwand gibt es aktuell nicht, wäre aber über die Gemeinde denkbar. So berichtete Felix Schmitt von Gemeinden, die die Kosten für das Saatgut der Zwischenbegrünung übernehmen. Für Landwirt Hofgärtner ist in jedem Fall klar: „Ich habe einmal erlebt, wie es mir den ganzen Ackerboden mitgenommen hat, das brauche ich nicht nochmal.“
Schlagunterteilung und Streifensaaten:
Ein besonders spannendes Projekt zeigte sich am Schlossgut Englmannsberg.
Dort war die Region sehr von Bodenerosionen betroffen, die Lage spitzte sich vor einigen Jahren zu. Gemeinsam mit der Landesanstalt für Landwirtschaft und Max Stadler wurden die Flächen des Landwirts ganz neu überplant. Der Hang wurde unterteilt in verschiedene kleinere Anbauflächen auf denen Kartoffeln, Getreide, Zuckerrüben, Soja und einiges mehr wachsen. Es wird quer zum Hang bewirtschaftet. Stadler: „Irgendwann hätte man hier mit Zwang arbeiten müssen, wir haben aber früh genug begonnen, auf Augenhöhe gemeinsam neue Lösungen zu finden. Die Bedürfnisse des Landwirts sind ebenso eingeflossen wie unsere Fachkenntnisse. Es gab einige Kompromisse, aber mit dem Ergebnis sind wir wirklich sehr zufrieden.“
Nach einem gemeinsamen Mittagessen übernahm Felix Schmitt die Führung und präsentierte verschiedene Beispiele für einfache Baumaßnahmen zum Wasserrückhalt und zur Abflusslenkung.
In Mühlhausen bei Neustadt an der Donau im Landkreis Kelheim zeigte ehemaliger 2.Bürgermeister Konrad Dichtl, was sich durch den baulichen Wasserrückhalt durch Anpassung in der Topographie verändert hat. Hier wurde vor drei Jahren ein Rückhaltebecken gebaut, das den Ort Mühlhausen schützt. Dazu wurde die Straße angehoben, in Kombination mit einer neu angelegten Böschung wirkt sie als Damm und hält Wasser zurück. Bei Starkregen wird dabei eine Ackerfläche kurze Zeit geflutet, das Wasser bleibt, wo es sein soll. Im Vorfeld bremst ein System flacher Ablaufmulden den Wasserzustrom. Angebaut wird hier Hopfen, der laut Dichtl auch kurze Zeit in Nässe aushalten kann.
In Langquaid endete schließlich die interessante Rundfahrt. Hier wurde bei Starkregen in der Vergangenheit der Humus vom Kartoffelfeld in einer Schlamm-Masse ins Dorf Adlhausen gespült. Die Landwirte brauchten Hilfe und wurden von Felix Schmitt mit der Initiative boden:ständig tatkräftig unterstützt. Es entstand eine begrünte Abflussmulde, die bisher sehr effektiv ist. Auch bei schweren Gewittern fängt sie Schlamm auf und schützt die Anwohner vor Schäden. Bei der Diskussion auf dem Feld wanderten die Blicke der Besucher zum Schlepper der betroffenen Bauern. Die Gruppe staunte nicht schlecht, als sie den Querdammhäufler "Erosion Stop" am Ende der Gerätekombination entdeckten.
„Vor ein paar Stunden haben wir noch von der Existenz solcher Maschinen gesprochen, jetzt stehen wir davor, weil sich ein Bauer aus eigener Initiative mit seinen Problemen auseinandersetzt und investiert. Ich finde das einfach toll.“ Wie aufs Stichwort setzte Regen ein, der die Teilnehmer aber nicht beeindruckte. Sie standen noch lange vor dem „Erosions Stop“ und fachsimpelten gemeinsam über neue Möglichkeiten des Ackerbaus.
Über die Exkursion berichtete auch der Bayerische Rundfunk in zwei Radiobeiträgen:
- Podcast zur Sendung IQ-Wissenschaft und Forschung vom 12. Juli 2022 "Vor der Sturzflut - wie kann man die Menschen besser schützen" (ab min. 15 resp. 19)
- Podcast zur Sendung IQ-Wissenschaft und Forschung vom 11. Juli 2022 "Fehler in der Infrastruktur Was Hochwasser unterstützt" (erste 5 Minuten, gefolgt von Maßnahmen im Siedlungsgebiet)
Text: Mia Goller