(11. Oktober 2023) Brandloh - Streuobstwiesen sind wichtig für die Kulturlandschaft und Biodiversität in Bayern. Damit diese wertvollen Biotope erhalten bleiben, braucht es sinnvolle Verwertungskonzepte von Streuobst. Andreas Kaindl und seine Familie aus Brandloh im Landkreis Freising setzen sich schon lange für die Kultur des Obstanbaus ein.
Wenn Andreas Kaindl über seine Obstbaumwiese durch das hohe Gras spaziert, genießt er nicht nur die schöne Landschaft der südlichen Hallertau. Stets hat er seine Streuobststämme im Blick: hier ein Ast zu viel, dort vielleicht ein Schädling, die Birnen sind auch erntereif und je nach Jahreszeit sind Nistkästen zu reinigen und anzubringen, Wildverbiss bei Jungbäumen kontrollieren, Wühlmauskontrolle … die Gründe, warum er bei seinen Streuobstbeständen eingreifen muss, sind vielfältig.
Das erfordere schon spezielleres Wissen und Erfahrung, erklärt Andreas Kaindl seinen Besuchern vom Amt für Ländliche Entwicklung im Dörfchen Brandloh bei Attenkirchen (Landkreis Freising). Deshalb hat er 2019 bei der Deutenkofener Baumwarte e.V. eine Fortbildung zum Baumwart absolviert. Einiges habe er aber auch von seiner Familie gelernt, von der er die Streuobstwiese übernommen hat. Seit vier Generationen gehört sie zum Besitz der Kaindls: „Meine Urgroßeltern haben das ,Kramer Anwesen’ 1890 übernommen und so alt dürfte auch der älteste Birnbaum auf der Hofstelle sein“. Die Landwirtschaft und damit auch die Obstbäume gehören zu seinen Kindheitserinnerungen. Wohl kein Zufall, dass er sich zum Gärtner ausbilden ließ und heute als Techniker im Garten- und Landschaftsbau tätig ist. Zu seinen Aufgaben als Bauleiter gehört auch die Schaffung von Ausgleichsflächen wie Streuobstwiesen. Hier schließe sich der Kreis zu seiner zweiten beruflichen Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt
Die Feierabende verbringt Andreas Kaindl oft mit der Pflege seiner Streuobstwiese. Dann ist er mit Astschere und Säge unterwegs und rückt überflüssigem Bewuchs zu Leibe. „Die regelmäßige Baumpflege, besonders der Beschnitt sind wichtig, um langlebige und ertragreiche Hochstämme kultivieren zu können“, sagt Andreas Kaindl. Dabei müsse man beim Beschnitt zwischen Jung-, Ertrags- oder Altbaum unterscheiden. Das Kronengerüst sollte sich immer im Gleichgewicht befinden, etwa durch das Entfernen von kahlen und abgestorbenen Ästen. Standard ist der sogenannte Oeschbergschnitt. Eine schweizerische Methode zur Erziehung von Hoch- und Halbstämmen, so Andreas Kaindl. Im Laufe der Jahre habe er allerdings sein eigenes Verfahren entwickelt, das gut funktioniere. Anfangs habe er bei einigen Bäumen zu viel weggeschnitten. Um solche Fehler bei der Baumpflege auszugleichen, brauche es oft Jahre. Aber daraus lernen wir auch, ist der Obstbauer überzeugt.
Zur Pflege der Streuobstwiesen zählt auch das regelmäßige Mähen. Andreas Kaindl mäht im Frühjahr und im Herbst mit einem Einachser Mulcher und einem Kreiselmähwerk. Das Gras wird als Heu verwendet. Ansonsten lässt er die Ponys seiner Schwägerin auf der Wiese weiden. „Die kleinen Tiere eignen sich gut dafür, weil sie die Böden nicht verdichten“, sagt Andreas Kaindl. „Die Beweidung ist überhaupt eine natürliche Methode der Wiesenpflege“. So habe er vor einigen Jahren die 900 Schafe eines Wanderschäfers auf der Wiese grasen lassen. In weniger als vier Stunde war sie leer gegrast, berichtet Andreas Kaindl. Zudem liefern die Tiere Naturdünger, wobei die Obstwiese ohnehin sehr fett bzw. nährstoffreich ist.
Um die Obstgehölze sortenrein nachziehen zu können, veredelt Andreas Kaindl sein Pflanzenmaterial selbst. Dabei wird ein Auge oder ein Trieb von der gewünschten Sorte mit der gewünschten Unterlage verbunden, wie zum Beispiel dem Bittenfelder Sämling. Normalerweise bilden die drei bis vier Leitäste mit dem Mitteltrieb das Grundgerüst der Krone. Daraus entstehen die Fruchtäste mit dem Fruchtholz. An der Veredelungsstelle ist die Unterlage mit der Edelsorte verwachsen, so Andreas Kaindl.
Die Sämlingsunterlage definiert die Höhe und Wüchsigkeit der Pflanze sowie die Standfestigkeit, die veredelte Sorte gibt die Blüten-, Blatt- und Fruchteigenschaften vor. Zudem sollte eine Sorte gewählt werden, die sich am Standort am besten bewährt hat, rät der Experte.
Andreas Kaindl pflanzt bevorzugt alte Apfel- und Birnensorten, Quitten und Walnüsse. Stolz zeigt er auf einen fast zehn Meter hohen Birnbaum, der eine üppige Ernte verspricht. „Da hängen bestimmt 500 Kilogramm Birnen dran“, freut sich Andreas Kaindl. Ein willkommener Ertrag in einem Jahr, das wegen Hitze und Stürme nicht gerade als Obstjahr gilt. Die Ernte der Sorte „Gräfin Von Paris“ wird - wie jedes andere Streuobst - in der hofeigenen Destille zu Obstbrand verarbeitet. Dabei mischt er Äpfel, Birnen und Quitten, weil sich eine sortenreine Verarbeitung wegen des geringen Ertrags nicht lohnt. Sein Liebling auf der Streuobstwiese ist ein Mispelbaum. „Die Früchte sind zur Ernte im Dezember weniger ansehnlich, entwickeln aber bei der Verarbeitung einen marzipanartigen Geschmack“, schwärmt der Obstbauer. „Gerade richtig zu Weihnachten“, lacht er. Geerntet werden die Mispeln mit einem Olivennetz. Alles andere Streuobst wird mit einem Seilschüttler am Traktor und einer Obstraupe geerntet. Zudem muss einiges aufgesammelt und aussortiert werden. Ganz ohne Handarbeit geht es nicht.
Von allen Verwertungsmöglichkeiten hat sich Andreas Kaindl für das Destillieren entschieden. Nicht nur aus Tradition, sondern auch wegen seiner kultivierten Sorten und des begrenzten Ertrags, wie er sagt. Dafür hat er sich auf seinem Anwesen eine kleine Obstbrennerei gebaut. „Bis man allerdings von einem hochwertigen Destillat sprechen kann, braucht es etwas Zeit“, sagt Andreas Kaindl. Denn die einzelnen Schritte bis zum Endprodukt bräuchten Geduld und Erfahrung. Das beginne schon beim Ansetzen der Maische. „Aber auch die schonende Gärung bei nicht zu hohen Temperaturen und die richtige Brenngeschwindigkeit sind wichtig, damit ein Aromaverlust vermieden wird.“
Rein wirtschaftlich betrachtet lohne sich bei der Größe seiner Wiese eine kommerzielle Verwertung nicht. Ihm gehe es aber vor allem um die Wertschätzung für den Streuobstanbau. Wer einmal über eine blühende Obstbaumwiese spaziert ist, mit seinen prallen Knospen, summenden Insekten, zwitschernden Vögeln, Schmetterlingen und anderem Getier, dem wird auch die ökologische Bedeutung solcher Wiesen bewusst. Auch die Ernte wohlschmeckender Früchte, aus denen wundervollen Produkte entstehen, machen die Streuobstwiesen so wertvoll, ist Andreas Kaindl überzeugt. Abgesehen von seiner Bedeutung für die Kulturlandschaft und Diversität, sollte man aber bei der Anschaffung von Obstbäumen auch über die Verwertung nachdenken.