Foto: TH Rosenheim
(14. Mai 2024) Prutting - Verfahren der Ländlichen Entwicklung sollen nachhaltig, qualitätsvoll und bedarfsorientiert unter Einhaltung der angestrebten Klimaziele umgesetzt werden. Um diesen Anspruch gerecht zu werden, hat die Verwaltung für Ländliche Entwicklung im Rahmen eines Beteiligungsprojekts gemeinsam mit kommunalen Vertreterinnen und Vertretern und allen Ämtern für Ländliche Entwicklung in Bayern Kriterien für „Nachhaltiges Planen und (Um-)Bauen“ entwickelt. Die Gemeinde Prutting hat diese Kriterien bereits vor Entwicklung umgesetzt – in einem gemeinsamen Semesterprojekt mit der Technischen Hochschule Rosenheim.
Ein wichtiger Aspekt dieses Aktionsplans, der im Forum des Beteiligungsprojekts erarbeitet wurde und an dem auch der Bürgermeister der Gemeinde Prutting teilgenommen hat, war das Thema „Mut“. Mut einmal andere Wege zu gehen, Mut ein kleines Risiko zu wagen, Mut neue Ideen entstehen zu lassen, aber auch aus seinen Erfahrungen zu lernen und diese weiterzugeben. Mut hat auch die Gemeinde Prutting mit ihrem Gemeindeentwicklungskonzept (GEK) bewiesen, etwas Neues zu wagen.
Einen Anfang hat die Gemeinde bereits mit der auslaufenden Dorferneuerung gemacht. Mit Unterstützung des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) konnte man dadurch in Prutting schon einige Projekte und Maßnahmen umsetzen. Um auch nach der Dorferneuerung gerüstet zu sein und die Gemeinde im Sinne nachhaltigen (Um-)bauens und Wohnens für die Zukunft gut aufzustellen, wurde 2022 als Grundlage ein Gemeindeentwicklungskonzept (GEK) mit einem sogenannten integrierten Vitalitäts-Check erarbeitet. Mit diesem Instrument des ALE werden die Innenentwicklungspotenziale in Gemeinden ermittelt und aufbereitet.
Foto: Arthur Schankula
Foto: Gemeinde Prutting
Nach Feststellung der vorhandenen Gebäude- und Flächenpotenziale durch das Büro Ortegestalten war die Überlegung, wie leerstehende und von Leerstand bedrohte Häuser und Hofstellen in Prutting revitalisiert werden können. Wichtig sei dabei die Bewusstseinsbildung, dass der Abbruch solcher Gebäude nicht als einfachste und günstigste Lösung angesehen werden könne, sagte Tanja Mayer. Vielmehr sei bei der Innenentwicklung der Erhalt vorhandener baulicher Strukturen wichtig.
Auf Basis des Vitalitäts-Checks, den Erkenntnissen des GEK und den Ergebnissen der Online-Befragung (LE.NA) der Bürgerinnen und Bürger zur Entwicklung von Prutting sowie mit der Zustimmung des Eigentümers des ehemaligen Gasthofs zur Post konnte das Semesterprojekt im Herbst 2023 an den Start gehen. Ziel des Projekts, war die Revitalisierung des Gasthofs zur Post in der Ortsmitte von Prutting. Daran beteiligt waren 25 Studierende der Studiengänge Architektur, Innenausbau, Innenarchitektur und Bauingenieurwesen aus zwei Fakultäten. „Dass diese mit Spaß und Elan an die große Aufgabe und das Entwerfen herangingen, zeigte sich bereits beim ersten Brainstorming zu dem Projekt“, so Arthur Schankula. Nach seiner Einschätzung brachten die Studierenden rund 2500 Arbeitsstunden auf, um das Projekt umzusetzen.
Am 4. April 2024 präsentierten die Studierenden im Beisein von Vertretern aller Kooperationspartner in den Räumen der Hochschule Rosenheim die Ergebnisse ihres Semesterprojekts und wie sie sich die Revitalisierung des Gasthofs vorstellten. Bei der Planung erwies sich nicht nur die Größe des Gebäudes als besondere Herausforderung, auch der bauliche Zustand sowie die Auflagen durch den Denkmalschutz waren anspruchsvoll. Gleichzeitig bietet das Haus durch seine zentrale Lage eine einmalige Chance für die Wiederbelebung des Ortskerns und zudem optimale Nutzungsmöglichkeiten. So könnte das Erdgeschoss des Gebäudes wieder ein Gasthaus und eine Showküche für Kochkurse etc. beherbergen. Im Kellergeschoss würde künftig eine Bar und Wine-Tasting das gastronomische Angebot aufwerten. Gleichzeitig sollen im Untergeschoss u.a. Räumlichkeiten für junge Leute eingerichtet werden. Therapie- und Bewegungsräume sowie Co-Working-Räume und flexible Konferenzräume könnten im Obergeschoss Platz finden. Mit 50 bis 84 Quadratmeter großen Galeriewohnungen würde gleichzeitig neuer Wohnraum im Dachgeschoss geschaffen, so die Überlegungen der Planer zu den Nutzungsmöglichkeiten. „Dass das Semesterprojekt auf große Zustimmung stieß, zeigte das positive Echo, der gut besuchten Präsentation“, freut sich Arthur Schankula. „Eine schöne Belohnung für die Studierenden und mich.“
Aus den Erfahrungen im Zukunftsratsprozess und nach dem Semesterprojekt zeige sich, dass der ländliche Raum und die kleinen Gemeinden kompetente Fachplaner brauchen, um die bereits aktuellen und künftigen Herausforderungen beim qualitätsvollen Planen und Bauen bewältigen zu können, sagt Tanja Mayer. „Wir müssen Bewusstseinsbildung betreiben und Kompetenzen entwickeln. Zudem müssen wir mutig sein und neue Wege gehen. Mit den Semesterprojekten verfolgt man auch neue Wege, und man kann so junge Planerinnen und Planer für den ländlichen Raum begeistern.“
Der Umstand, dass sich die Studierende bei der Bearbeitung solcher Projekte auch von gesetzlichen Zwängen frei machen, bringe auch kreative und innovative Lösungen, ist Tanja Mayer überzeugt. Diese Erkenntnisse könne den Gemeinden und dem ALE wichtige und neue Impulse bei der täglichen Arbeit geben.
Arthur Schankula sieht in der Kooperation eine wichtige Möglichkeit für die Studierenden, sich mit dem Bedarf einer Dorfgemeinde in Bezug auf deren Infrastruktur auseinanderzusetzen;
Nutzungskonzepte für ein Gebäude zu entwickeln, das unter Denkmalschutz steht und diese mit dem ursprünglichen Gebäudekonzept in Einklang zu bringen. Zudem lernen sie Lösungen für die behutsame Ertüchtigung einer historischen Bausubstanz zu erarbeiten, die sich an der möglichst weitgehenden Erhaltung des Bestandes orientieren, so das Fazit des Professors aus Rosenheim.