Landleben
Warum Menschen aufs Land ziehen

Älteres saniertes Haus mit begrünter Fassade.Zoombild vorhanden

Mühle Braun

(20. November 2023, München) Ländliche Räume müssen große Herausforderungen bewältigen. Abwanderung junger Menschen, Veränderung der Landwirtschaft, der sozialen Dorfstrukturen und mancherorts ungünstigere Lebens- und Arbeitsbedingungen als in der Stadt scheinen das Land unattraktiver zu machen. Trotzdem verlassen einige Menschen die Großstadt, um auf dem Land zu leben.

Abseits vom Großstadttrubel verspricht sich so mancher ein ruhigeres und gesünderes Leben auf dem Land. Weniger Stress, dafür entspannte Spaziergänge durch Wald und Wiesen, bessere Luft durch weniger Abgase und Schadstoffe und keine lauten Straßen, mehr soziales Miteinander statt Anonymität und viel Platz für Hobbys. Für naturverbundene Menschen und Tierfreunde scheint das Landleben ein Traum. Oft ist mit der Vorstellung von ländlichem Leben auch schlicht eine einfachere und nachhaltigere Lebensweise verbunden. Der Einkauf von Naturprodukten direkt vom Hof oder günstigere Immobilienpreise – die Gründe sind vielfältig, die die Menschen aufs Land locken.

Mögliche Nachteile des Landlebens
Wer sich für ein Leben auf dem Land entscheidet, muss sich je nach Region aber auch mit praktischen Nachteilen auseinandersetzen: geringeres Job- und Ausbildungsangebot, kaum ausgebauter ÖPNV sowie schlechtere Infrastruktur und Einkaufsmöglichkeiten. Außerdem sind Schulen und Kindergärten nicht gerade um die Ecke, es gibt eingeschränkte Kultur- und Freizeitangebote und auch bei der medizinischen Versorgung muss man Nachteile in Kauf nehmen. Ohne Auto geht es kaum und Bewohner ländlicher Regionen müssen zudem häufiger pendeln. Hinzu kommt eine schlechte Internetverbindung, was nachteilig für Schule, Studium und im Homeoffice sein kann. Dem steht die bessere Infrastruktur einer Stadt gegenüber, wie ein schnellerer erreichbarer Arbeitsplatz durch einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, abwechslungsreiche Einkaufsmöglichkeiten und Kulturangebote, Gastronomie und Unterhaltung sowie vielfältige Bildungseinrichtungen.
Anwesen mit Garten und See.Zoombild vorhanden

Mühle Braun

Beweggründe für ein Leben auf dem Land
Auch Miriam hat dem Großstadtleben München den Rücken gekehrt und sich in der pfälzischen Provinz niedergelassen. „Dafür ausschlaggebend waren die hohen Immobilienpreise im Raum München und die Enge in der Großstadt“, begründet die 35-Jährige ihren Schritt. Dort konnte sie sich den Traum vom eigenen Haus nach ihren Vorstellungen verwirklichen. Zudem könne sie dort ein naturverbundenes Leben mit Selbstversorgung in der Gemeinschaft mit Familie und Freunden führen. So etwas sei in einer Stadt wie München kaum mehr möglich, so die Psychotherapeutin.
Lukas hegte schon lange den Wunsch nach einem gemeinschaftlichen Leben inmitten der Natur. Ein Gemeinschaftsgefühl in der Stadt wollte bei ihm nicht so richtig aufkommen. „In der Stadt habe ich mich trotz der vielen Menschen eher isoliert gefühlt“, erzählt der 34-jährige Bauingenieur. „Die Ruhe, die Umgebung aus Natur, Wald und Wiesen, der Raum für Gemüseanbau und Tierhaltung, aber auch das kreative Schaffen sind für mich von unschätzbarem Wert“, ist Lukas überzeugt. Er schätzt aber auch die ländliche Gemeinschaft. „Wir unterstützen uns gegenseitig in allen Belangen und meistern gemeinsam die Herausforderungen des Landlebens“. Im Vergleich zur hektischen Großstadt sei das Leben auf dem Land deutlich entspannter und entschleunigend. „Dieser Freiraum war es wert, die Wohnung in der Stadt aufzugeben.“ Nach seinem Umzug arbeitete er zunächst noch als Projektleiter für seine bisherige Firma im Homeoffice, bis er in der Nähe seines neuen Zuhauses eine Anstellung fand.
Gemütliche Sitzgruppe vor einem Haus. Zoombild vorhanden

Mühle Braun

„Die Vision eines gemeinschaftlichen Lebens zusammen mit guten Freunden“ war für Tobias der Hauptgrund von Garching bei München aufs Land umzuziehen. Der 33-Jährige wollte schon immer naturnah wohnen. „Vogelgezwitscher und Bachrauschen sind mir lieber als die Hektik und der Lärm einer Stadt“, sagt Tobias. Auf dem Land falle es ihm leichter, ein Leben zu führen, dass sich für ihn gesund und nah an seinen eigenen Werten anfühle. Er genieße es aber auch außer seinen Freunden keine direkten Nachbarn zu haben, schmunzelt er. „Hier können wir machen, was wir wollen.“
Wohnkosten zwingen zum Umzug
Die Beispiele zeigen, dass so manche aus der teuren Region München ihren Traum vom bezahlbaren Leben auf dem Land nur verwirklichen konnten, weil sie sich in einem anderen Bundesland niedergelassen haben. Es sind aber nicht nur romantische Vorstellungen vom Landleben, sondern vor allem die hohen Lebenshaltungskosten, die zu einem Umzug ins Umland oder in weiter entfernte Regionen zwingen. Dabei gibt es zwischen Stadt und Land enorme Unterschiede, wie die Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) deutlich macht. So ist die bayerische Landeshauptstadt mit den angrenzenden Landkreisen Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau und Ebersberg das teuerste Pflaster in der Bundesrepublik, während das ostbayerische Wunsiedel auf Rang sechs der günstigsten deutschen Landkreise und Kreise steht. Demnach haben Bewohner in München um fast 40 Prozent höhere Lebenshaltungskosten als Menschen in Wunsiedel und um rund 25 Prozent im Bundesdurchschnitt. Von allen bayerischen Regierungsbezirken ist Oberbayern der teuerste, denn neben München liegen 21 von 23 oberbayerischen Städten und Landkreise über dem Bundesdurchschnitt. Preistreiber ist vor allem das Wohnen, dass die Lebenshaltungskosten in der Großstadt um 38 Prozent teurer macht als im günstigsten Landkreis laut der Studie.
Stadt oft im Vorteil
Der Traum vom Eigenheim oder Wohnraum mit mehr Platz für die Familie zu geringeren Kosten lässt sich deshalb tendenziell nur durch einen Umzug ins Umland oder in entferntere Regionen verwirklichen. Diese Erkenntnis und dass vor allem einkommensschwächere Familien durch Wegzug häufig ihrer Wohnverhältnisse verbessern können, war schon das Resultat einer Analyse 2012 zur Motivation der Zu- und Wegziehenden des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München. Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben nichts an Aktualität verloren, erklärt eine Mitarbeiterin vom Münchner Referat für Stadtplanung und Bauordnung Dr. Ilka Kürbis, die auch mit der aktuellen Wanderungsstatistik vertraut ist. Dabei seien es nicht nur Familien, die die Stadt aufgrund der beengten und teuren Wohnungssituation verlassen, auch nicht wenige ältere Menschen müssten nach Rentenbeginn aus Kostengründen wegziehen. Wer in München keine Wohnung findet, erweitert sein Suchfeld und nimmt dabei zwangsläufig einen Umzug aufs Land in Kauf. Je besser verkehrstechnisch an den neuen Wohnort angebunden, desto eher werde der neue Wohnstandort in ländlichen Regionen akzeptiert. Fakt ist, wer bezahlbaren Wohnraum findet, bleibt eher der Stadt verbunden.
Blumenwiese mit Gartenzaun.Zoombild vorhanden

Alexandra Mata

Ländlichen Raum stärken
Während die Gemeinden mit der Abwanderung ihrer jungen Menschen zu kämpfen haben, wird es in den Städten tendenziell enger. Vor allem der demografische Wandel lässt ein regionales Ungleichgewicht zwischen prosperierenden Metropolregionen mit eher junger Bevölkerung und peripheren ländlichen Regionen mit einer zunehmend alternden Bevölkerung entstehen. Mit dem Wegzug der jungen Menschen aus ihren Dörfern in die Städte ist häufig auch ein Rückgang ökonomischer Wachstumspotenziale verbunden, wie aus dem Kinder- und Jugendbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hervorgeht. Umso wichtiger ist deshalb die Förderung von ländlichen Regionen, mit Bleibeperspektiven für jungen Menschen. Neben der Bewältigung der demografischen Herausforderungen auch durch politische Gestaltungsmöglichkeit, gilt es, die ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Potenziale in den ländlichen Teilräumen zu stärken, wie es sich die Verwaltung für Ländliche Entwicklung durch vielfältige Beiträge zur Aufgabe gemacht hat.