Integrierte Ländliche Entwicklung
Masterarbeit: ILE-Projekte im Kontext des Klimawandels
21. November 2024 – In der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) schließen sich Gemeinden freiwillig zusammen, um ihre Region als Lebens-, Wirtschafts- und Sozialraum nachhaltig und zukunftsfähig zu entwickeln. Gemeinsam werden Aufgaben wie etwa Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Digitalisierung oder Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe effizienter und zielgerichteter bewältigt. Wie sich die Klimaanpassung auf Projekte der ILEs in Bayern auswirkt, hat ein Architekt und Landmanagement-Student der Technischen Universität München (TUM) zum Thema seiner Masterarbeit gemacht.
Sintflutartige Regenfälle und massive Stürme sind sichtbarer Ausdruck des Klimawandels. Treibhausgase in der Atmosphäre werden in den nächsten Jahren mehr oder weniger erkennbar weitere Auswirkungen auf das Klima haben. Selbst wenn intensiv Klimaschutz betrieben wird, lässt sich der Klimawandel nicht aufhalten. Dies hat Einfluss auf viele Bereiche der Gesellschaft: auf Wohnen, Arbeit oder die Gesundheit. Umso wichtiger ist es, sich auch auf die vielfältigen klimatischen Veränderungen einzustellen. Ob der Anbau von dürreresistenten Pflanzensorten, regenerative Landwirtschaft, die Verbesserung der Wasserspeicher oder Abwehrmechanismen gegen wetterextreme Ereignisse wie Hitzewellen und Überschwemmungen – eine rechtzeitige und aktive Anpassung an den Klimawandel kann die Folgen minimieren oder gar vermeiden helfen – auch auf dem Land. Dabei kommt den ILEs bei der Umsetzung von klimaanpassenden Projekten eine besondere Rolle zu.
Mueed Ahmed hat sich diesem Thema gewidmet und darüber eine Masterarbeit geschrieben. Der gebürtige Inder hat in Neu-Delhi Architektur studiert. Das Masterstudium Landmanagement und Geowissenschaften führte ihn an die Technische Universität nach München. Seine Schwerpunkte sind die Entwicklung des ländlichen Raums, der Städte, Raumplanung, Umwelt und Nachhaltigkeit. Während seines Studiums und auf seinen Reisen hat er die Erfahrung gemacht, dass der Fokus des Interesses überwiegend auf den Städten liegt. Oft seien die ländlichen Regionen der Welt unterrepräsentiert. Viele Länder des globalen Südens, besonders im ländlichen Raum, kämpfen zudem mit schlechter Infrastruktur, den Folgen des Klimawandels, Migrationsproblemen oder kriegerischen Konflikten. Das hat ihm gezeigt, wie wichtig es ist, sich auch und besonders auf die spezifischen Probleme im ländlichen Raum zu konzentrieren, um die Identität, Kultur, Natur und Biodiversität solcher Regionen zu erhalten.
ILEs als zentrales Instrument
Das Instrument der ILE, wie es in Bayern praktiziert wird, sieht Mueed Ahmed als die beste Maßnahme, um den ländlichen Raum voranzubringen. Es sei zudem auch zentral, wenn es um die Arbeit der Ämter für Ländliche Entwicklung, die Gemeinden und die beteiligten Akteure geht. Auch wenn es Verbesserungspotenzial habe, sei es ein Modell für viele andere ländliche Regionen weltweit. „Für mich sind die ILEs eine ideale Plattform, um daraus zu lernen, wie man den ländlichen Raum zukunftsfähig gestalten kann“, ist Mueed Ahmed überzeugt. „Durch meine Arbeit als Architekt und Planer möchte ich Teil dieses Entwicklungsprozesses sein.“
Ein wichtiger Aspekt dabei sei die Freiwilligkeit der Zusammenschlüsse der ILEs. Sie haben das Potenzial, Fragen des Klimawandels und Anpassungsstrategien in die Ziele der Gemeindeentwicklung einzubeziehen. Es gibt dazu bereits erfolgreiche Beispiele im Bereich der Ökomodellregionen, bei Energiefragen und im Naturschutz. „Dies hat mich motiviert, dieses Thema der Ländlichen Entwicklung für meine Masterarbeit auszuwählen“, so Mueed Ahmed. „Professor Walter de Vries vom Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung an der TUM hat mich bei dieser Forschungsarbeit sehr unterstützt. Große Unterstützung habe ich auch durch Dr. Christian Thurmaier, Baudirektor und Leiter der Abteilung Land- und Dorfentwicklung beim ALE Niederbayern erfahren. Er hat mir geholfen, die ILE-Projekte in Niederbayern vorzustellen und mich auch zu einigen Veranstaltungen eingeladen.“
Bei seiner Masterarbeit „Einschätzung der Auswirkungen von Projekten der ILE in Bayern auf die Klimaanpassung“ ging es Mueed Ahmed u. a. darum, die ILEs auch auf institutioneller Ebene zu verstehen. Vor allem auch um die Fragestellung, ob sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ämtern der Ländlichen Entwicklung (ALE), die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und weitere Beteiligte bewusst sind, dass die ILEs ein effizientes Mittel zur Klimaanpassung darstellen.
Dazu hat sich Mueed Ahmed mit verschiedenen Forschungsfragen befasst, wie z.B. dem Konzept der ILEs in Bayern in Bezug auf die Klimaanpassung, wie der bestehende Rahmen funktioniert und wie dieses Verständnis den Integrationsprozess beeinflusst. Interessant war für ihn auch, inwieweit ILE-Projekte effektiv Klimaanpassungsmaßnahmen in ihre Planungs- und Evaluierungsprozesse integrieren, und was die Schlüsselfaktoren sind, die dies beeinflussen. Zudem untersuchte er die Frage, welche Defizite die ILE-Projekte in Bayern bei der Integration von Klimaanpassungsaspekten aufweisen und welche Faktoren diese Einbeziehung schon bei der Planung, Umsetzung und Evaluation behindern.
Umfrage in den Ämtern der Ländlichen Entwicklung
Eine wichtige Grundlage für die Forschungsarbeit war die Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller ÄLEs, wie sie die Auswirkungen von Projekten der ILE in Bayern auf die Klimaanpassung einschätzen. „Die Mitarbeiter der ÄLEs sind Experten für ländliche Entwicklung und bringen wertvolle Kenntnisse und Erfahrungen mit“, so Mueed Ahmed. „Ihre Beratung kann dazu beitragen, praktische und umsetzbare Klimaanpassungsstrategien zu entwickeln.“
Mit der Umfrage kann erfasst werden, wie die ALE-Mitarbeiter die Herausforderungen und Chancen der Klimaanpassung wahrnehmen. So können sie ihre Einschätzungen und Bedenken in die Entscheidungsprozesse einfließen lassen. „Wenn Mitarbeiter in den Prozess einbezogen werden, erhöht dies die Akzeptanz von Klimaanpassungsmaßnahmen“, erklärt Mueed Ahmed. Sie sind eher bereit, Maßnahmen zu unterstützen und aktiv umzusetzen, wenn sie an der Entwicklung beteiligt waren.
Die Befragung dient auch dazu, verschiedene Aspekte der Klimaanpassung besser zu verstehen. Als Beispiele nennt Mueed Ahmed das Verständnis und die Kenntnis der Anpassung an den Klimawandel im ländlichen Raum. Eine große Rolle spielt außerdem die Eignung und Relevanz von ILE-Projekten für die Klimaanpassung in Bayern und deren Auswirkungen. Darüber hinaus gibt die Umfrage Aufschluss über die Herausforderungen und den Verbesserungsbedarf bei ILE-Projekten und welche Prioritäten bei Klimafragen gesetzt werden.
Wichtige Ergebnisse der Umfrage
Bei der Umfrage zu den Auswirkungen von Projekten der ILE in Bayern auf die Klimaanpassung spielte der Umstand eine Rolle, dass das Konzept der ILEs im bayerischen Kontext relativ neu ist. Dies beeinflusst auch die Klimaanpassungsprojekte, die die meisten der Befragten noch nicht für effizient genug halten. Gleichwohl hält eine Mehrheit die ILE-Projekte zur Klimaanpassung für geeignet. Die meisten stimmten auch zu, dass Klimafragen zu den Handlungsfeldern bei ILE-Projekten gehören. Zustimmung gab es auch bei der Frage, ob diese Projekte einen Beitrag zur Klimaresilienz in ländlichen Gemeinden leisten. Daraus könne man schließen, dass sich die Gemeinden der Problematik des Klimawandels bewusst sind, die Klimaanpassung als Verhaltensänderung begreifen und über Lösungsansätze informiert sind, so Mueed Ahmed.
Bei der Fragestellung, ob sich ILE-Projekte auf Themen wie Klimaanpassung, Umwelt, Nachhaltigkeit und biologische Vielfalt auswirken gab es grundsätzlich Zustimmung, wobei dies je nach Themengebiet variierte. Beim Grad der Zufriedenheit mit ihren ILE-Projekten zur Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit waren die Befragten neutral. Mueed Ahmed schließt daraus, dass die Neutralität auf ein mangelndes Bewusstsein für spezifische Umweltthemen oder -belange bei ILE-Projekten zurückzuführen ist.
Eine Mehrheit ist zudem mäßig vertraut mit Techniken, Werkzeugen und Instrumenten zur Klimaanpassung bei ILE-Projekten, so das Ergebnis der Umfrage. Mueed Ahmed sieht trotz eines gewissen Bewusstseins Raum für Verbesserungen der unterschiedlichen Strategien innerhalb der ILE-Projekte. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist die Unzufriedenheit vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Unterstützung durch Institutionen für Klimaschutzprojekte im Rahmen von ILEs, etwa in finanzieller Hinsicht. Außerdem gebe es Verbesserungsbedarf in der Umsetzungsphase der ILE-Projekte. Zudem stimmte ein großer Prozentsatz der Befragten zu, dass die Repräsentanten und die technischen Instrumente optimiert werden müssen, um den ökologischen Herausforderungen gerecht werden zu können.
Insgesamt zeigen die Umfrageergebnisse, dass ländliche Gemeinden und Kommunen die Herausforderungen des Klimawandels unterschiedlich verstehen und wahrnehmen. Während einige Befragte die Wichtigkeit der Klimaanpassung erkennen, könnten andere von zusätzlicher Information und Aufklärung profitieren. Die Förderung von Fallstudien und die Präsentation von Ergebnissen aus Klimaprogrammen könnten künftig die Rechtfertigung für die Finanzierung von ILE-Aktivitäten stärken. Weitere Interviews sollen darüber mehr Aufschluss bringen.
Herausforderungen für die ILEs
Basierend auf der Literatur, den Umfrageergebnissen und den Experteninterviews sehen sich die ILEs bei der Integration von Klimaanpassungsmaßnahmen mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert, wie z.B. administrative Hindernisse, Resistenz der Stakeholder, Finanzierungsfragen und finanzielle Ressourcen, Personalmangel, unterschiedlicher Grad des Wissensstandes, Nutzung bereits vorhandener Instrumente sowie Projektüberwachung und -bewertung, fasst Mueed Ahmed die wichtigsten Hürden zusammen. Um den Erfolg von ILE-Projekten in Bezug auf die Klimaanpassung zu verbessern, gelte es deshalb, einige Maßnahmen zu ergreifen. Darunter etwa die Vereinfachung der Verwaltungsabläufe, die Verstärkung der Einbindung von Stakeholdern, Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung, Behebung von Personalmangel, Stärkung des Bewusstseins und des Engagements, effektive Nutzung vorhandener Instrumente, langfristige Planung und Nachhaltigkeit sicherstellen sowie Verbesserung von Monitoring und Evaluierung sowie die Gründung weiterer Klimaanpassungsprojekte.
Klimaanpassung in der Praxis
Es gibt bereits einige erfolgreiche Initiativen und Beispiele für Anpassungsmaßnahmen bei ILE-Projekten wie Bodenuntersuchungen, Gewässerschutz und Maßnahmen im Bereich erneuerbare Energien (Windkraftanlagen, Photovoltaikflächen), so Mueed Ahmed. Viele ILEs entwickeln inzwischen auch Konzepte zur Klimaanpassung. Offenkundig ist auch, dass nach extremen Wettereignissen und dem damit verbundenen Hochwasser, Klimaanpassungsmaßnahmen zunehmen. Damit verbunden fließen nicht nur mehr Fördermittel, es werden auch Förderprogramme häufiger in Anspruch genommen, so dass eine Priorisierung zugunsten von Klimaanpassungsmaßnahmen erkennbar ist.
Einige ILEs befassen sich schon seit Jahren mit Fragen der Klimaanpassung und haben Stellen etwa für Energiemanager oder Klimaschutzmanager geschaffen. Diese ILEs arbeiten an einer Vielzahl von Projekten und setzen diese auch um. Bei einigen anderen ILEs ist das Bewusstsein vorhanden, aber die Herausforderung besteht möglicherweise darin, nicht genau zu wissen, wie man spezifische Probleme am besten lösen kann, so die Einschätzung von Mueed Ahmed.
Rolle der Behörden und Institutionen
„Die Rolle von Behörden und Institutionen bei der Förderung der Klimaanpassung in ländlichen Gebieten ist von entscheidender Bedeutung“, betont Mueed Ahmed. Sie tragen maßgeblich dazu bei, den Rahmen für die Planung, Umsetzung und Evaluierung von Klimaanpassungsmaßnahmen zu schaffen. Durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln, technischem Know-how und politischen Leitlinien können sie den Erfolg von ILE-Projekten wesentlich beeinflussen. Eine starke institutionelle Unterstützung, insbesondere in Form von Kooperationen zwischen Gemeinden und Behörden, erleichtert die Integration von Klimaanpassungsmaßnahmen und fördert eine nachhaltige Entwicklung in ländlichen Regionen.
Empfehlungen für zukünftige Projekte
In der künftigen Entwicklung von ILE-Projekten in Bayern im Kontext der Klimakrise sieht Mueed Ahmed, nach den Erkenntnissen seiner Forschungsarbeit, ein großes Potenzial, um ländliche Regionen widerstandsfähiger zu machen. Da die Klimaanpassung zunehmend an Bedeutung gewinnt, könnten ILE-Projekte verstärkt als Plattform dienen, um nachhaltige und innovative Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
Für Projektinitiativen bei der Integrierten Ländlichen Entwicklung in Zukunft empfiehlt der Architekt eine stärkere Integration von Klimaanpassungsstrategien bereits in der Planungsphase der ILE-Projekte. Aber auch die Förderung interkommunaler Zusammenarbeit und der Austausch von Best Practices sind ratsam. Zudem macht eine bessere finanzielle und technische Unterstützung für ländliche Gemeinden Sinn, um spezifische Klimarisiken effektiver anzugehen. Darüber hinaus seien langfristige Evaluierungen hilfreich, um die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen besser zu verstehen und anpassen zu können.
Fotos und Abbildungen: Mueed Ahmed