Flurneuordnung
Einsatz für den Moorschutz
(16. Dezember 2024) München – Moore sind faszinierende Ökosysteme, die für den Klimaschutz unverzichtbar sind. Sie tragen zum Artenschutz bei und sind Wasserspeicher für die Landschaft. Umso wichtiger ist deshalb der Schutz intakter Moorlandschaften und die Renaturierung von Mooren. Antonia Grandl hat den Moorschutz zum Beruf gemacht und ist seit November dieses Jahres Ansprechpartnerin für Klimaschutz durch Moorbodenschutz beim Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberbayern. Im Interview spricht sie über ihre Aufgaben und die Herausforderungen als „Moorbeauftragte“.
Frau Grandl, wie kamen Sie zum ALE?
Nach meinem Studium der Landwirtschaft arbeitete ich zunächst im Bereich Humusaufbau und CO2-Einspeicherung durch regenerative Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen. Als ich die Ausschreibung „Ansprechpartnerin für Klimaschutz durch Moorbodenschutz“ beim ALE Oberbayern sah, fühlte ich mich sofort angesprochen. Zum einen, weil ich in der Nähe eines Hochmoores aufgewachsen bin, zum anderen, weil mich dieses Themengebiet schon seit längerer Zeit faszinierte.
Welche Aufgaben nehmen Sie in Ihrem Sachgebiet wahr?
Als Ansprechpartnerin für Klimaschutz durch Moorbodenschutz bin ich Mitarbeiterin des Sachgebiets „Landwirtschaft und Landnutzung“. Das bringt vielfältige Aufgaben mit sich, vor allem die Vorbereitung von Moorschutzprojekten. Schwerpunktmäßig geht es um die Wiedervernässung bzw. Nassbewirtschaftung von Moorböden. Dabei gilt es, die Mitwirkungsbereitschaft und Motivation der betroffenen Kommunen, Landwirte und Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern zu klären. Im Zusammenspiel zwischen beteiligten Behörden, Verbänden, Organisationen und regionalen Akteuren treten wir vom ALE Oberbayern als Vermittler und Berater in fachlichen und technischen Fragen auf. Wir unterstützen und begleiten mit unserem Know-how und den Instrumenten der Ländlichen Entwicklung Modell- und Umsetzungsprojekte der klima- und moorverträglichen Bewirtschaftung sowie der nachhaltigen moorschonenden Landnutzung und Moorrenaturierungsmaßnahmen. Neben der Vorbereitung und Umsetzung der Vergabe von Planungsleistungen gehört außerdem die Projektkoordination und -steuerung zu meinen Kernaufgaben. Wie man sieht, ist es ein spannendes und umfassendes Wirkungsspektrum.
Sind Sie mit dem Moorschutz schon vertraut?
Das Thema „Moor“ ist im Kontext zum Klimaschutz tatsächlich noch etwas neu für mich. Auch wenn ich einiges aus der Politik und Berichterstattung kenne, ist der Moorschutz doch ein recht komplexes Gebiet. Wie ich eingangs schon erwähnt hatte, war ich bisher mit der Thematik eher durch mein elterliches Zuhause aus der landwirtschaftlichen Perspektive vertraut. Nach meinem Studium bin ich der Landwirtschaft treu geblieben und arbeite inzwischen zwei Tage die Woche im Betrieb meiner Eltern. Drei Tage nehme ich meine Aufgaben am ALE wahr. Erste Einblicke in Moorschutzprojekte zeigten mir, dass der Moorschutz sehr ambitioniert ist, aber auch viele Hürden zu überwinden sind. Die Verfahren sind oft schwierig, da viele Beteiligte unter einen Hut gebracht werden müssen. Insbesondere in der Landwirtschaft müssen Kompromisse bei den Nutzungsinteressen gefunden werden. Bei unserer Berater- und Vermittlungsarbeit ist mein landwirtschaftlicher Hintergrund sicher von Nutzen.
Wie sieht die praktische Arbeit aus?
Moorschutzprojekte gestalten sich je nach Ausgangslage recht unterschiedlich. Das hängt u.a. von den landschaftlichen Voraussetzungen, dem Zustand des Moores und den Besitzverhältnissen der Flächen ab. Deshalb müssen wir zunächst alle Akteure und deren Rolle herausfinden, die im Zusammenhang mit einem Moor stehen. Neben den betroffenen Grundstückseigentümern sind einige Behörden involviert, wie z.B. die Landwirtschaftsämter, die Landkreise, vertreten durch die Unteren Naturschutzbehörden, die Wasserwirtschaftsämter und die Ämter für Ländliche Entwicklung. Wir nehmen eine Bestandsaufnahme des Moores vor Ort vor und planen das weitere Vorgehen unter verschiedenen Aspekten: Wo liegen die Problemstellungen, welche Maßnahmen sind zum Moorschutz erforderlich und welche Instrumente können dafür eingesetzt werden? Vieles befindet sich dabei noch in der Entwicklung, und oft kristallisiert sich die weitere Vorgehensweise im Laufe der Verfahren heraus. Ich selbst bin gerade noch dabei, mich in das Aufgabengebiet und meine Rolle einzufinden. Auf jeden Fall ist es sehr spannend und vielseitig.
Was sind die Hauptziele beim Moorschutz?
Wichtige Hauptziele sind die Vernässung der Moorgebiete, einer weiteren flächenhaften Entwässerung entgegenzuwirken und die Renaturierung. Durch das Anheben der Wasserstände können die Emissionen aus landwirtschaftlichen Flächen deutlich reduziert werden. Dies erfolgt immer unter der Prämisse, gemeinsame Lösungen zu finden. Insbesondere Landwirte sollen gerade auch bei der Nassbewirtschaftung durch entsprechende Maßnahmen keine Nachteile erleiden, denn dies bedeutet einen erheblichen Mehraufwand für die Betroffenen. Eine Möglichkeit ist die Entschädigung mit adäquaten Ausgleichs- oder Tauschflächen. Viele Landwirte sind auch bereit, Flächen aus schützenswerten Hoch- und Niedermooreichen zu tauschen. Wichtig ist bei Moorschutzprojekten, mit allen Beteiligten auf Augenhöhe zu agieren und den Moorschutz als Gemeinschaft zu erbringen.
Welche Schnittstellen gibt es zu anderen Abteilungen und Institutionen?
Schnittstellen gibt es zu allen Sachgebieten, bei deren Projekten Moore im Verfahrensgebiet liegen. Aber auch zu den Beratern der Landwirtschaftsämter und den Moormanagern der Unteren Naturschutzbehörden. Besonders wichtig dabei ist die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) mit entsprechendem Forschungshintergrund oder auch das Peatland Science Center in Weihenstephan, das zentrale Fragen zur Klimawirksamkeit der Moore und deren Schutz- und Nutzungsstrategien erforscht. In diesem Zusammenhang können Kolleginnen und Kollegen aus den Sachgebieten gerne auf mich zukommen, wenn im Rahmen ihrer Verfahren Moorflächen eine Rolle spielen.
Welche Verfahren oder Methoden halten Sie für besonders wichtig, um den Moorschutz effektiv voranzutreiben?
Wie schon erwähnt, können Maßnahmen zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz nur gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren erfolgreich sein. Es gilt, mit den Menschen vor Ort den Prozess zu gestalten und unterschiedliche Sichtweisen und Interessen ernst zu nehmen. Erfolgreicher Moorschutz beginnt vor allem dann, wenn etwa durch freiwilligen Landtausch oder ein beschleunigtes Zusammenlegungsverfahren Flächen zum Moorschutz gewonnen werden können. Mit den Instrumenten der Ländlichen Entwicklung, Flächenförderprogrammen, einer moorbodenschonenden Bewirtschaftung sowie Information und Beratung kann Moorschutz effektiv vorangetrieben werden. Bei moorbodenschonender Bewirtschaftung denke ich etwa an die Nutzung als Feucht- oder Nassgrünland oder den Anbau von Paludikulturen. Letzteres bezeichnet die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nasser und wiedervernässter Moorstandorte, bei der der Torfkörper erhalten bleibt. In Bayern kommen vor allem die Niedermoorböden für den Anbau von Paludikulturen in Betracht.
Welche Herausforderungen sind mit Ihrer Tätigkeit verbunden?
Eine große Herausforderung bei Moorschutzprojekten sind die verschiedenen Interessen, wie z.B. die landwirtschaftliche Nutzung, die Besiedlung, der Moorbodenschutz oder der Wiesenbrüterschutz. Dabei spielt die Flächenkonkurrenz und -knappheit eine zentrale Rolle, sowie der Ankauf von Moorbodenflächen in Privatbesitz. Denn wir sind ja nicht die einzigen, die Fläche beanspruchen wollen. Oft sind die Besitzverhältnisse sehr zerstückelt, was einen langwierigen Prozess der Beteiligten notwendig macht, um die Zustimmung aller zu erhalten. Hinzu kommen ungeklärte Eigentumsverhältnisse oder die Weigerung, entsprechende Flächen zu veräußern. Gleichzeitig müssen durch Aufklärung und Maßnahmen Ängste ausgeräumt werden, z.B. dass durch die Wiedervernässung eine Mückenplage entsteht, Keller voll Wasser laufen oder sonstige Beeinträchtigungen zu befürchten sind.
Hinzu kommen institutionelle Interessen und gesetzliche Vorgaben z.B. von der Unteren Naturschutzbehörden und der Landwirtschaftsämter. Meine Rolle sehe ich dabei als Vermittlerin zwischen den Akteuren. Unser Grundprinzip dabei ist die Mitwirkung der Menschen vor Ort. Sicher keine einfache, aber durchaus zu bewältigende Herausforderung.
Wie kann man die Öffentlichkeit besser für das Thema „Moorschutz“ sensibilisieren?
Auch wenn den Landwirten eine besondere Bedeutung zukommt, ist Moorschutz doch eine gesellschaftliche Aufgabe. Deshalb ist die Öffentlichkeitsarbeit sehr wichtig. Diese hat sich in den letzten Jahren auch durch die Sozialen Medien sehr gut entwickelt, sodass in der Öffentlichkeit der Moorschutz eine gewisse Präsenz hat. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Akteure und Betroffenen die notwendigen Informationen erhalten, um Moorschutzprojekte besser zu akzeptieren.
Abgesehen von der beruflichen Seite, was verbinden Sie persönlich mit einer Moorlandschaft?
Mit meinen Kindheitserinnerungen ist besonders das Hochmoor am Kesselsee verbunden. Das hat unsere Fantasie als Kinder beflügelt, besonders wenn zu bestimmten Jahreszeiten der Nebel das Moor in eine mystische Landschaft tauchte. Ich verband damit oft auch Geschichten aus Märchen und Sagen. Gleichzeitig war für mich das Moor ein Lebensraum für besondere Pflanzen und Tiere – ein Ökosystem, das man in Ruhe lässt. Als immer mehr Besucherinnen und Besucher kamen und der im Moor gelegene Kesselsee umkippte, wurde das Feuchtgebiet 1982 als Teil des Fauna-Flora-Habitat-Gebietes „Moore um Wasserburg“ unter Naturschutz gestellt. Sicher eine konsequente und richtige Maßnahme, sonst hätte dieses Moor das gleiche Schicksal ereilt wie viele andere Hoch- und Niedermoore in Bayern.